Die „Scheunenfund“-Bertone-Story begann, als ich vor Jahren das Restaurations-Album eines Freundes von seiner Toyota Celica TA22 bestaunte. Ein Foto zeigte seine Werkstatt und am linken Bildrand blinzelte ein weißer Alfa Giulia 2000 GTV Bertone hervor.
Natürlich musste ich ihn fragen, was es mit dem weißen italienischen Fahrspass in seiner japanischen Hochburg auf sich hat. Er meinte: „Der gehört meinem Bruder, aber der ist seit Jahrzehnten verschollen.“ Und er selber kann mit dem Auto nichts machen, da es seinem Bruder gehört und dieser auch den originalen österreichischen Typenschein hat.
Beharrlichkeit zahlt sich aus
Ich nahm das mal so als gegeben hin und widmete mich meinen anderen erfrischenden All-Timer-Bereicherungen. Ein halbes Jahr später traf ich meinen Celica Freund wieder, wir plauderten über die verschiedensten Themen, ohne dabei die Frage der Fragen zu vergessen: „Hast Du schon etwas von Deinem Bruder gehört?“ „Leider, Nein“, war die Antwort.
Dieses „Leider, Nein“ wiederholte sich bei den nächsten Treffen in den nächsten Jahren. Bis ich ihn auf der Oldtimermesse Tulln 2017 wieder mal traf und ihn fragte, ob es ihm stört, wenn ich versuchen würde seinen Bruder ausfindig zu machen. Er gab grünes Licht und ein paar Tage später telefonierte ich mit seinem Bruder Stefan. Er erbot sich bei der Verkaufsfrage eine Woche Bedenkzeit. Dann sagte er JA zum Verkauf. Und ich JA zum Kauf.
Am Tag der Sonne befreiten wir den verstaubten aber kompletten Bertone nach 25 Jahren aus seinem lichtgeschützten, trockenem Versteck und transportierten ihn zu seinen neuen Freunden ins All-Timer-Loft.
In den nächsten Monaten (ohne Zeitdruck) wird der nahezu originale Bertone mit österreichischer Erstzulassung wieder straßenfein gemacht. Es wird ein Spassbringer für die Straße und nicht ein Schaustück für die Garage. Mit 94.884 Kilometer ist er gerade eingefahren. Eh klar: Matching Numbers. Noch mit originaler Bedienungsanleitung.
Die Brüder Franz und Stefan haben jetzt wieder Kontakt zueinander und meinten einhellig, nie wieder eine „Zeit der Verschollenheit“ aufkommen zu lassen. Fazit: Happy End hoch5.
Wie schon erwähnt: Es ist keine Eile geboten.
Wenn der Bertone erst 2018 wieder seinen Auslauf auf den sanft-hügeligen Straßen des Weinviertels findet, ist das auch OK. Am Beginn so eines „Back-2-The-Road“ Projektes stehen üblicherweise die Basis-Maßnahmen wie beispielsweise Motor zum Laufen bringen, die Bedienbarkeit wieder herstellen, alle Flüssigkeiten wechseln, poröse Schläuche tauschen, Benzintank leeren und säubern lassen. Alle Filter wechseln. Und dann fest hoffen, dass nicht zu viel Unvorhergesehenes eintritt.
Bei diesem Projekt startete ich aber mit einer Unterboden- und Motor-Trockeneis Reinigung. Damit gleich zu Beginn des Workflows eventuelle problematische Roststellen entdeckt werden und weil es logistisch und terminmäßig smart war.
Das Glück meinte es gut mit mir. Der Alfa Giulia 2000 GTV Bertone schaut nach der Reinigung formidabel aus. In den nächsten Monaten wird er fahrbereit für blaue Kennzeichen gemacht. Anschließend werden Innenraum und Karosserie/Lack außen wieder auf Vordermann gebracht. Alles mit sanften Maßnahmen. Dass so viel wie möglich vom Original erhalten bleibt.
Unverbastelt. Original. Alfa Giulia 2000 GTV Bertone.
Aufgrund der vorliegenden Fahrzeug-Dokumente, der am Fahrzeug eingeschlagenen Nummern und der weißen Farbe bis in den letzten Winkel konnte man davon ausgehen, dass dieser Bertone in originalem Zustand ist. Die hundertprozentige Sicherheit gibt aber Alfa Romeo selber mit dem Original-Zertifikat. Solche „Geburtsurkunden“ gibt es bei Porsche und BMW schon länger, bei Alfa seit 2017.
Nach der Unterboden-Reinigung und des sehr zufriedenstellenden Ergebnisses, war es an der Zeit sich der Karosserie zu widmen. Leider wurde Einiges auf dem Alfa in seiner Garagierungszeit abgestellt. Dellen waren die Folge. Auch gab es mehrere Blessuren. Im Kofferraum tauchten ebenfalls problematische Roststellen auf. Kurzum. Neuer Kofferraumboden mit Reserveradmulde, alle Dellen gedrückt und komplette Lackierung in seiner Auslieferungsfarbe biancospino. Mein Spengler- und Lackierer (ein echter Geheimtipp) zauberte und nach einigen Wochen stand der Bertone in strahlendem Binacospino wieder im All-Timer-Loft.
Was jetzt folgt, ist klar. Mit Liebe zum Detail werden alle Karosserie-Anbauteile montiert.
Und es geht voran. Zuerst der Innenraum. Immer erstaunlich. Wie schnell ein Auto zerlegt ist. Und wie lange es dauert bis es wieder zusammengebaut ist. Zur Freude des Tages habe ich in dem 2000er-Bertelmann die 1750er Sitze der ersten Serie eingebaut. Die schauen wirklich avantgardistisch schön aus.
So Kleinigkeiten wie: an der Armaturenbatterie alle Leuchtmitteln zu erneuern sind Selbstverständlichkeiten.
Im Heckbereich ist doch Einiges an Neuteilen gekommen:
Kennzeichenbeleuchtung. Heckleuchten. Kofferraum-Teppich. Benzintank. Tankstutzen-Gummi. Kofferraumdeckel-Dichtung – um nur ein paar zu nennen. Und ein neues ALFA Emblem hat er auch bekommen. Der 2000er Schriftzug ist aber von anno dazumal.
Am 9. November 2017 war es dann soweit. Die Jungfernfahrt. Nach 25 Jahren erstmals back-on-the-road. Für so eine lange Stehzeit hat er sich gut gefahren. Und meine größte Bedenken, Mängel an Getriebe, Hinterachse, Lenkung zerstreuten sich mit den Herbstblättern im Ernstbrunner Wald. Im Winter werden noch ein paar Feinjustierungen wie beispielsweise Innenbeleuchtung und Steinschlagschutz durchgeführt.
Es hat dann doch noch ein Weilchen gedauert, bis die Eintragung als historisches Fahrzeug erfolgte. Die GTA Look-Felgen in der Dimension 6,5Jx14H2-ET17 sind ebenfalls im Typenschein vermerkt. Am 1. Juni 2018 war es dann soweit. Mit neuer Überprüfungs-Plakette für historische Fahrzeuge (Farbe: rot) ging die erste Spritztour direkt zur Motornights in die Korneuburger Werft.
Mit GTA Look Beklebung. Dies verleiht ihm die besondere Note.
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